Ein Bericht aus der Vereinszeitschrift "Das Gipfelbuch" der BSG Robur Zittau
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Hier mein Bericht von 1987:
Nun ist es schon wieder eine ganze Weile her, dass wir am Fuße der Sammlerwand bei Glühwein und Broiler meinen 'letzten Gipfel' feierten. Zwölf Bergfreunde, die maßgeblich am Gelingen des Vorhabens beteiligt waren, saßen am 03.10.87 auf dem Gipfel zusammen. Meppen jr. zog als besondere Überraschung einen Glückwunsch vom großen Meister B.A., verbunden mit einer so schön bunten West-Schlinge, aus seinem Kletterhemd.
Meine beim Gipfelplausch gemachte spontane Äußerung "Nun kann ich endlich wieder klettern, was Spaß macht!" gibt vielleicht Anlass, über den Sinn eines solchen Unternehmens nachzudenken. Zunächst würde ich niemandem zum Sammeln um des Sammelns willen zureden. Bei mir war es ein Prozess über Jahre, in denen ich noch keinen Gedanken an das Sammeln verschwendete. Erst im letzten Zeitraum, als ich mir einen Überblick verschafft hatte und feststellte, dass ich von den in offiziellen Kletterführern verzeichneten 1239 selbständigen Gipfeln bereits mehr als ¾ bestiegen hatte, ging ich das Ganze etwas zielstrebiger an. Dennoch zog ich in der Klettersaison die Möglichkeit, schöne Wege an bereits bekannten Gipfeln zu machen, immer irgendwelchen Quacken-Besteigungen vor. Dieses Suchspiel fand im Wesentlichen in der Vor- und Nachsaison statt, verbunden mit Wanderungen in diese bis dahin weniger bekannten Ecken.
Darin liegt auch ein gewisser Reiz. Meine Wanderungen hatten und haben fast immer irgendwelche Kletterfelsen zum Ziel. Auf diese Weise habe ich fast alle für uns erreichbaren Klettergebiete kennen gelernt, seien es Heuscheuer oder Falkenberge in Polen, die Gebiete zwischen Karlsbad und Ostslowakei in der CSSR oder das Bükk-Gebirge in Ungarn. Auf diese Weise entstand eben auch eine annähernde Vollzähligkeit der Gipfel bei uns fast nebenbei. Was übrig blieb, waren unangenehme Gipfel oder Hässlinge. Von den letzteren gibt es ein paar Handvoll, denen offizielle Anerkennung hätte versagt bleiben sollen. Meine eindeutige Auffassung ist es, dass nicht nur formale Gesichtspunkte wie Höhe in Metern und Zentimetern, sondern Fragen der Gesamtästhetik, beurteilt von einer kompetenten Fachkommission, berücksichtigt werden müssen. Welchen Nutzen bringen der Klettergemeinde schon solche Gipfel wie Yeti oder Seife? Wenn ein Gipfel schon als solcher nicht viel taugt, so müssten zumindest ordentliche Wegmöglichkeiten für ihn sprechen. Gegen eine spät anerkannte Wolfsfalle hat ja wohl niemand etwas einzuwenden. Fast strafbar aber wird es, wenn miese Gipfel in bis dahin unberührter Natur 'ausgegraben' und ganze Hänge als Zugang in Mitleidenschaft gezogen werden (z. B. Wobstspitze im Gr. Zschand).
Das eigentliche Absammeln der letzten 250 Gipfel war bei mir eigentlich nur noch eine Fleißarbeit ohne größere Probleme, weil uns die schweren Brocken schon früher ins Auge stachen und zum Schluss nur noch Wege mittlerer Schwierigkeit bis max. VIIa auf der Strichliste standen. Bei den schweren Gipfeln hatten sich in den Jahren zuvor besonders Ronald und Wolla als Vorsteiger verdient gemacht. In meinem Gedächtnis hat sich dabei als Rangliste eingeprägt: Friensteinkegel vor Teufelsspitze, Hauptdrilling und Märchenturm. Aber das ist wohl immer eine subjektive Sache. Recht beeindruckend war auch noch eine ganze Reihe weiterer Gipfel. Ich denke da an Teufelsturm, von dem ich gleich 3 Aufstiege kennen lernte, Grenznadel, Postakegel, Wolfsturm und -spitze und Wilder Kopf über die Westkante. Aber auch unbedeutendere Spitzen waren manchmal nicht ganz ohne, z. B. Meilensäule, Flüchtling, Weberschluchtturm oder Hirschgrundscheibe. Ich könnte noch eine ganze Reihe aufzählen, bei denen ich froh war, mutige Vorsteiger gefunden zu haben.
Ein Glücksumstand war für mich ein Urlaubsplatz in Elend im Sperrgebiet des Harzes, da diese Gipfel sonst nicht zugängig sind. Hinzu kam, dass an diesen Tagen wenig Schnee lag und sich auch ein Urlauber fand, der als Laie erstaunlich mutig bei diesen harten Bedingungen mithielt. Er kommt noch heute gelegentlich aus Fürstenwalde zu Besuch, um Touren im Elbsandstein mitzumachen.
Auch Überraschungen blieben nicht aus. So erwies sich z. B. eine IV (Verwitterter Turm) als nicht machbar, da ein Baum an der Baustelle abhanden gekommen war, oder manche V als verkappte VII (Kreuzturm - AW). Schön dumm geguckt habe ich bestimmt auch, als ich auf dem Partisan merkte, dass ich schon früher mal oben war. In Unkenntnis bestiegen wir auch zwei gesperrte Gipfel, den Heinrich-Heine-Felsen in Halle und die Schrammsteinnadel. Auf letzterem steckte die Abseilöse lose im sich zersetzenden Gipfelkopf, was kaum angenehmer war als auf der Seife, wo der im Kletterführer angegebene Ring ganz fehlte und das benutzte Bäumchen beängstigend lose war, so dass wir vorsichtshalber in 2 Etappen abseilten und uns gegenseitig sicherten.
Zu meiner Schande als Ex-Zittauer muss ich bekennen, dass unter den letzten 10 Gipfeln überhaupt auch 2 aus unserem Gebirge waren: Schluchtwächter und Bewachsener Turm. Aber das unterstreicht wohl nur meine Abneigung gegen gewisse Gipfel.
Die Frage, ob ich das Gipfelsammeln gut finde, muss ich alles in allem mit 'Jein' beantworten. Als beinahe neue Sportart, wie es manche stierig betreiben, lehne ich es ab. Als Nebenprodukt beim Kennenlernen unserer Gebirge brachte es viele schöne Erlebnisse, besonders auch dann, wenn ich allein durch die entlegenen Winkel streifte. Als ich z. B. in den hinteren Weberschlüchten um eine Felsecke bog, waren wahrscheinlich eine Wildkatze und ich gleichermaßen vom gegenseitigen Anblick überrascht. Am selben Tag glaubte ich auf einem schönen Aussichts-Felsriff meinen Augen nicht zu trauen: 36 Bilderbuchmaronen auf einer Fläche von ca. 10 x 7 Metern!
Beeindruckend ist allein schon die Vielfältigkeit der Natur in den verschiedenen Gegenden, auch die verschiedenen Gesteinsformen. Es ist schon ein enormer Unterschied, ob man den heimischen Sandstein oder den Granit der Greifensteine, den Kalk bei Döbritz, den Porphyr des Thüringer Falkensteins oder auch den recht glatten Sandstein des Königsteins im Harz unter den Füßen hat.
Aber wenn man mit offenen Augen durch die Gebirge zieht, bemerkt man auch die schädlichen Auswirkungen nicht nur von Industrie, sondern auch von übermäßiger touristischer Erschließung bis hin zu unvernünftigen Verhaltensweisen mancher Bergsteiger auf die Natur. Schon allein deshalb hoffe ich, dass 'Sammeln' nicht noch mehr Mode wird und die paar ruhigeren Ecken erhalten bleiben. Der sportliche Wert ist ohnehin fragwürdig und beschränkt sich wohl mehr oder weniger auf die Vorsteiger der schwierigen Gipfel. Aber letztendlich hat ja jeder - zum Glück - die Freiheit, das zu klettern, was er möchte.
Dabei viel Erfolg und schöne Erlebnisse wünscht Euch H e m p o