Guglia di Brenta (2883 m)
* * *

Ein Bericht aus der Vereinszeitschrift "Das Gipfelbuch" der ZBG


* * *
Hier mein Bericht von 1990:

Der Traumberg der Brenta-Gruppe (weniger bekannt unter seinem richtigen Namen Campanile Basso) geisterte bei der Planung dieses so herrlich grenzenlosen Urlaubs ständig in meinem Hinterkopf herum. Kein Wunder, entspricht doch diese berühmte schlanke Riesensäule so recht unseren sächsischen Vorstellungen von einem zünftigen Gipfel.

Aber zunächst hieß es erst einmal bei Unternehmungen in verschiedenen Dolomitengebieten Erfahrungen sammeln und auch Lehrgeld zahlen. So bereitete noch mitunter das richtige Deuten der kurzgefassten Beschreibungen und somit das Finden der Routen Probleme (Ergebnis: Verhauer an der Großen Zinne). Unser Bestreben, die Wege wenigstens andeutungsweise sächsisch abzusichern, führte meist zu deutlichen Überschreitungen der angegebenen Zeiten, so dass wir z. B. froh waren, dass schöner heller Mondschein das letzte Stück in der Abstiegsrinne nach Durchsteigung der langen Grohmannspitze-Südwand beleuchtete. Besonders wenig konnte ich mich mit solchen Passagen anfreunden, wo statt ordentlicher Sicherungsmöglichkeiten und festen Gesteins wacklige Blöcke und loses Geröll vorherrschten.

Nach dem Kennenlernen der wunderschönen Pala-Gruppe blieben uns noch 3 Tage, um einen Abstecher in die Brenta zu realisieren. Da musste schon das Wetter mitspielen.

Wir kamen abends in Madonna di Campiglio an und fanden kurz vor dem Dunkelwerden das Sträßchen zur Vallesinella-Hütte, wo wir im Auto übernachteten. Am nächsten Morgen galt es dann einen mit vollem Gepäck und Zelt recht schweißtreibenden Anstieg zur Brentei-Hütte zu bewältigen. Dort gibt es inmitten der imposanten Kulisse der Riesen Crozzon di Brenta, Cima Tosa und Cima Brenta einen wunderschönen Bergsteigerzeltplatz. Direkt vom Zelt aus kann man mit dem Fernglas den Kletterern an der Guglia zusehen. So erkundeten wir am Nachmittag noch den Zugang zum Einstieg und das letzte Stück des Aufstieges. Nach einem kräftigen Abendbrot in der Hütte mit allerdings noch kräftigeren Preisen ging es mit der Hoffnung auf günstiges Wetter zeitig in den Schlafsack, denn wir wollten früh raus.

Es war noch dunkel, als wir mit klammen Fingern ein mäßiges Frühstück runterwürgten (den Kocher hatten wir im Auto gelassen), aber noch vor uns stolperten 3 Seilschaften, mit ihren Stirnlampen Glühwürmchen gleichend, mit verschiedenen Zielen in die Dunkelheit. Als es richtig hell wurde, hatten auch wir schon das Eisfeld im Talschluss hinter uns und stiegen zur Bocca di Brenta auf, einer Scharte ein Stück rechts der Guglia (vor einem Direktzustieg über die Steilrinne wird im Führer zu recht gewarnt).Hier erreicht man einen der sehr schönen gesicherten Brenta-Klettersteige, den Bocchette-Weg, und gelangt über ihn direkt in die Scharte zwischen Guglia und Cima Brenta Alta. Hier waren wir schon nicht mehr allein, denn eine Seilschaft erreichte gerade die Pooliwand, den Scharfrichter des Normalweges gleichnach dem Einstieg. Wir freuten uns, dass das Wetter Gutes versprach und die Sonne den Fels hier an der SO-Seite an diesem empfindlich kühlen Morgen etwas erwärmte.

Gegen 08:30 Uhr stiegen wir ein, und nach 2 leichteren Seillängen standen auch wir auf dem Pfeiler unter der Pooliwand. Sie überraschte mit sehr schöner Kletterei (im Führer unverdientermaßen: glatter, speckiger Fels) im IV. Schwierigkeitsgrad bei guter Hakensicherung. Als wir sie hinter uns hatten, folgte uns der Vorsteiger einer weiteren Seilschaft, die aber ebenso wie die vorangegangene die herrliche Foxkante (V+) zum Zielhatte, so dass wir nach unserer Querung in die Nordseite wieder allein waren, wenn man von den Wanderern unten auf dem Bocchette-Weg absieht. Bei den nächsten 3 Seillängen, meist im III. Schwierigkeitsgrad, waren die relativ soliden Abseilringe immer der beste Beweis, dass man den richtigen Weg gefunden hat. So erreicht man - unvorstellbar, wenn man ein Foto dieser schlanken Felsfigur betrachtet - ein breites Band ("Stradone Provenciale"), auf dem ein kleiner Pfad durch die gesamte Nordflanke zur Schulter an der Westseite führt. Hier zitterten wir uns (vor Kälte!) 2 Seillängen in einer Kaminverschneidung zum sonnenbeschienenen Absatz "Albergo al Sole" hoch. Besser wäre es wohl gewesen, gleich die direkte Battistatavariante aus der Verschneidung zur Kanzel an der NW-Kante ("Terrazzino Garbari") zu wählen, denn nun mussten wir erst eine Platte hoch und dann wieder ein Stück zur Kanzel absteigen. Von diesem luftigen Standplatz aus folgt die schwierigste Stelle des gesamten Aufstieges. Man quert ausgesetzt ein paar Meter nach links in die Nordwand, wo 3 dicht beieinander steckende Haken den Weiterweg markieren. Hier muss man dann ein paar Meter, allerdings in wunderbar festem Gestein, richtig scharf klettern, um wieder freundlicheres Gelände und schließlich einen schönen Standplatz (mit Abseilring) an der Kante zu erreichen. Vorsichtshalber zog ich hier erst einmal unseren Rucksack mit Foto, Proviant und Schutzkleidung nach, den Grit sonst die ganze Tour tapfer getragen hat. Für die folgende letzte Seillänge steht im Führer "Etwas links der Kante in berauschender Kletterei gerade hoch zum Gipfel (III)". Der Rausch wurde nur etwas durch 3 abseilende Kletterer gestört.

Auf dem Gipfel wundert man sich erst einmal über die große, blockübersäte Fläche. Hier könnte man ja fast Verstecken spielen. Das schon vom Tal durch das Fernglas erspähte eigenartige Gestänge erweist sich als eine Art Glockenspiel mit Stahlrohren, das bei Wind von allein funktioniert. Neben uns präsentieren die benachbarten Campanile Alto auf der einen und Brenta Alta auf der anderen Seite ebenfalls verlockende Aufstiegsmöglichkeiten. Tief im Tal grüßen die auf den grünen Matten bei der Brentei-Hütte verstreuten Farbpünktchen der Zelte. Auf der anderen Seite des Tales locken und drohen zugleich die gewaltigen NO-Wände von Cima Tosa und Crozzon di Brenta und an letzterem besonders die 1000m hohe Nordkante. Wir genießen das herrliche Panorama und lassen uns Zeit zu einem kleinen Mittagessen, da auch an diesem Tag der berüchtigte, mittags oft vom Garda-See aufsteigende Nebel ausbleibt. Außerdem ist es ja so herrlich warm in der Sonne, nachdem wir in den Schattenseiten jämmerlich gefroren hatten!

Beim Abstieg, der zumeist mit Abseilen bewältigt wird, muss man sich wegen nachfolgender Seilschaften und der Steinschlaggefahr sehr vorsehen. Uns kamen bis zumgroßen Band noch 4 Seilschaften entgegen. Nach insgesamt 3 Abkletter- und 13 Abseilstellen, die wir zumeist schon beim Aufstieg schon erkunden konnten, stehen wir gegen 16 Uhr wieder am Einstieg. Schnell die drückenden Kletterschuhe von den Füßen! Nachdem wir die Schusslinie nachfolgender Seilschaften verlassen haben und wieder in der Scharte stehen, kommt Entspannung und Freude über dieses herrliche Gipfelerlebnis auf. Aber eigentlich hatte ich aus der Nähe während des Kletterns nie so richtig das Gefühl, an dieser herrlichen Säule zu sein, es war immer eine breite, mitunter gar nicht so übersichtliche Wand.

Viel Zeit zur Ruhe blieb nicht, denn am nächsten Morgen sollte ja die Heimreise beginnen. So wurden noch ein paar sehnsuchtsvolle Blicke in Richtung Fehrmannverschneidung geschickt, und dann hieß es, im Eiltempo zum Zelt abzusteigen, abzubauen, Rucksäcke zu packen und an der lockenden Brentei-Hütte vorbei bei herrlichster Abendstimmung ins Tal zu eilen. Mit Einbruch der Dunkelheit kamen wir recht knülle, aber glücklich am Auto an und bedauerten, für eines der schönsten kennengelernten Gebiete nicht mehr Zeit eingeplant zu haben, so dass uns nur die Möglichkeit einer solchen strapaziösen "Jojo-Tour" blieb.

Hempo